Weskamp: Mit Mut und Innovation neue Wege gehen

Sparkassen-Tourismusbarometer für Sachsen-Anhalt: Corona-Krise hat Fachkräftemangel dramatisch verschärft – Nachfragerückstände schrumpfen

Naumburg, 31. August 2022   Der dritte Corona-Sommer steht im Zeichen der Erholung. Die Menschen entdecken ihre Reiselust neu, die Rückstände zum Nachfrageniveau vor der Corona-Krise schrumpfen. Allein im Juni lag die Zahl der gewerblichen Übernachtungen in Sachsen-Anhalt nur noch 3,9 Prozent unter dem Nachfrageniveau von Juni 2019. Die Reisegebiete Altmark (+ 5,3 Prozent) und Magdeburg, Elbe-Börde-Heide (+ 6,9 Prozent) übertrafen das Vorkrisenniveau von Juni 2019 bereits wieder. Die Kunden legen mehr denn je wert auf Qualität und Service, gleichzeitig wird der Fachkräftemangel immer schwerer zu bewältigen.

Sachsen-Anhalts touristische Ziele sind nach der dritten Corona-Welle wieder gefragt. Dennoch hat Corona tiefe Spuren in der Tourismuslandschaft hinterlassen und Probleme wie den Fachkräftemangel dramatisch verschärft. Das geht aus dem Sparkassen-Tourismusbarometer 2022 des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) hervor, dessen Ergebnisse für Sachsen-Anhalt der OSV am Mittwoch in Naumburg vorgestellt hat.

Der Geschäftsführende Präsident des OSV, Ludger Weskamp, betonte: „Weiter so geht nicht. Wir müssen neu denken und handeln, wir brauchen den Mut zu innovativen Betriebskonzepten und Prozessen.“

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten im Gastgewerbe Sachsen-Anhalts hat im Jahr 2021 gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 insgesamt um 13 Prozent abgenommen, deutschlandweit sogar um 15,9 Prozent. Die gastgewerblichen Betriebe Sachsen-Anhalts meldeten im Jahre 2021 783 Ausbildungsstellen. 23 Prozent der Ausbildungsstellen blieben unbesetzt.

Nachfrageverluste schwächen sich ab

Nach den bereits durch Corona beeinträchtigten 1. Halbjahren 2020 und 2021 mussten die touristischen Betriebe in Sachsen-Anhalt im 1. Halbjahr 2022 erneut Rückgänge bei Übernachtungen von 12,8 Prozent melden, deutschlandweit lagen die Rück-gänge mit 15,6 Prozent noch höher. Die Höhe der Rückgänge fiel allerdings deutlich geringer aus als in den Corona-Jahren mit ihren teils erheblichen Beschränkungen.

Zählten die Betriebe noch 3,9 Millionen Übernachtungen im 1. Halbjahr 2019, waren es im 1. Halbjahr 2020 2,2 Millionen Übernachtungen und im Lockdown-Halbjahr 2021 nur noch 1,5 Millionen Übernachtungen und 2022 wieder 3,3 Millionen Übernachtungen in Sachsen-Anhalt.

Reisegebiete holen unterschiedlich schnell auf

Auch nachdem die meisten Corona-Beschränkungen aufgehoben waren, entwickelten sich die Reisegebiete im 1. Halbjahr 2022 unterschiedlich. Insgesamt schwächten sich die Übernachtungsrückgänge im 1. Halbjahr 2022 gegenüber dem 1. Halbjahr 2019 in allen Reisegebieten ab.

Die gemeldeten Rückgänge waren nicht so hoch in Magdeburg, Elbe-Börde-Heide (- 6,6 Prozent) und in der Altmark (- 7,5 Prozent). Etwa im Landesdurchschnitt lag der Rückgang in Halle, Saale-Unstrut (- 11,5 Prozent). Überdurchschnittlich stark traf es Anhalt-Wittenberg (- 15,8 Prozent) und Harz und Harzvorland (- 16,7 Prozent).

Eine gewisse Entspannung der Lage deuten die Kennzahlen der sachsen-anhaltischen Betriebe an. Betrug die Auslastung der Zimmer bzw. Schlafgelegenheiten im Jahr 2019 vor Corona 33,1 Prozent, so hat die Auslastung im 1. Halbjahr 2022 dieses Niveau in etwa wieder erreicht.

Die Zimmerpreise blieben in der Corona-Krise in Sachsen-Anhalt verhältnismäßig stabil. Sie bewegten sich in einer Spanne von durchschnittlich rund 50 Euro im Jahr 2019 bis zu durchschnittlich knapp 80 Euro im Jahr 2022. Allerdings ist der durchschnittliche Zimmerpreis in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu niedrig. In Ostdeutschland insgesamt liegt er etwa 20 Euro höher.

Die ostdeutschen Betriebe sehen sich im Spannungsfeld steigender Qualitätsansprüche und geringerer Handlungsspielräume. Denn acht von zehn Betrieben beklagen laut einer Online-Befragung des Tourismusbarometers im Gastgewerbe, dass die Ansprüche ihrer Gäste an Qualität in den letzten zehn Jahren stärker gestiegen sind, als sie die Preise erhöhen konnten.

Licht und Schatten über Freizeitwirtschaft

Die Zahl der Besucher in Kultur- und Freizeiteinrichtungen Sachsen-Anhalts verzeichnete von Januar bis Juni 2022 ein Besucher-Minus von 10,3 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2019. In ganz Deutschland war das Besucher-Minus in den Kultur- und Freizeiteinrichtungen mit 15 Prozent deutlich ausgeprägter. Die unterschiedlichen Einrichtungen erholten sich unterschiedlich rasch. Während Zoos/Tierparks (- 3,4 %) verhältnismäßig schnell wieder Zuspruch bei Besuchern fanden, erholten sich Museen/Ausstellungen (- 24,1 %) deutlich langsamer. Schlusslicht waren Stadtführungen (- 32,8 %).

Neue Qualitätsimpulse setzen

Qualitätsarbeit bleibt eine wichtige Aufgabe. Neue Impulse sind erforderlich und die Schwachstellen in der Qualität müssen abgebaut werden. Die Zufriedenheit der Gäste mit der Qualität ihrer Übernachtungsquartiere in Sachsen-Anhalt verharrt 2022 auf dem Wert von 85,3 Punkten beim Trust Score, der gleiche Wert wie bereits im Jahr 2021, deutlich unter dem deutschlandweiten Trust Score (86,4 Punkte).

Hohe Zufriedenheit herrscht unter den Gästen mit dem Service (92,4 Punkte), der Location (91,7 Punkte) und dem Hotel (88,6Punkte). Schwachstellen in der Qualität bleiben das gefühlte Preis-Leistungs-Verhältnis (75,9 Punkte), die Zimmer (75,7 Punkte) und der Internetzugang (49,3 Punkte).

Der Trust Score fasst Gästebewertungen auf rund 250 Onlineplattformen für Unterkunftsbetriebe zu einem Gesamtwert der Gästezufriedenheit zusammen, maximal 100 Punkte können erreicht werden.

Aktuell im Fokus: Qualitätssicherung trotz Arbeitskräftemangel

Die Tourismusbetriebe stehen vor Herausforderungen. Die Gäste erwarten hohe Qualität und kundennahen Service, zunehmend auch nachhaltige Tourismusangebote bei wachsender Personalknappheit. Die Corona-Krise wirkte hierbei wie ein Brennglas und hat strukturelle Probleme der Branche verstärkt. Über 2.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ver-ließen während der Corona-Krise das Gastgewerbe in Sachsen-Anhalt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im sachsen-anhaltischen Gastgewerbe ging von 24.321 im Jahr 2019 auf 22.242 im Jahr 2021 zurück.

Das Tourismusbarometer fordert dazu auf, Investitionen verstärkt aus der Perspektive vorausschauender Personalpolitik zu planen. Mitarbeitersuche bleibt wichtig. Hier gilt es verstärkter auch internationale Arbeitskraftressourcen zu nutzen.

Mitarbeiterbindung muss künftig stärker in den Fokus gerückt werden. Eine Online-Befragung im Gastgewerbe und der Freizeitwirtschaft in Ostdeutschland für das Tourismusbarometer ergab, dass insbesondere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (73 Prozent), finanzielle Anreizsysteme (59 Prozent), flexible Arbeitszeit (58 Prozent), Einbezug Dienstplangestaltung (56 Prozent) und im Homeoffice/remote arbeiten (52 Prozent) in den Betrieben an Bedeutung gewonnen haben.

Aus Sicht der ostdeutschen Betriebe zwingt der zunehmende Arbeitskräftemangel sie dazu, ihre Angebotsstruktur auf weniger personalintensive Dienstleistungen umzustellen. Eine Befragung des Tourismusbarometers zeigte, dass 93 Prozent der Gastronomiebetriebe, 82 Prozent der Beherbergungsbetriebe und 69 Prozent der Freizeit- und Kultureinrichtungen so denken.

Daher fordert das Tourismusbarometer, Potentiale der Prozessoptimierung und Digitalisierung auszuschöpfen. Dabei geht es nicht um Rationalisierung zwecks Kostenvorteilen, sondern zwecks Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Es ist an der Zeit, in Betrieben, in Destinationsmanagementorganisationen, in Branchenverbänden und in der Politik umzudenken im Interesse der Zukunft des Tourismus.