Thema Gesundheit und Erholung

200. Geburtstag - Auf den Spuren Kneipps

Am Beginn von Kneipps Erfolgsgeschichte steht sein eigenes Leiden. Als junger Theologiestudent an Tuberkulose erkrankt und von den Ärzten schon verloren geglaubt, fiel ihm ein entscheidendes Buch in die Hände: «Unterricht von Krafft und Würckung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen (...)», verfasst von Johann Siegmund Hahn. Von da an marschierte Kneipp, damals in Dillingen lebend, täglich an die nahe Donau und nahm kurze Bäder im eiskalten Fluss. Ob diese halfen oder nicht, Kneipp wurde jedenfalls vollständig gesund.

So sollt ihr leben

Beflügelt vom eigenen Heilerfolg entwickelte der angehende Theologe die «Wasserkur» weiter: kalte und warme Güsse und Bäder, Wickel, Waschungen – dazu viel Bewegung, gesundes Essen und die Kraft der Heilkräuter. Heimlich behandelte er zunächst Kommilitonen, später sogar an Cholera erkrankte Menschen. Sein Erfolg gab ihm Recht, und doch: Kneipp war kein Mediziner. Nach seiner Priesterweihe 1852 wurde er nicht nur einmal als Kurpfuscher verspottet und gar verklagt.

Doch was tat Kneipp? Er stellte dem an Gicht erkrankten Richter kurzerhand eine passende Kuranweisung aus. Er wollte helfen. Sein erstes Buch «Meine Wasserkur», welches sich später als Plagiat herausstellte, und das zweite, 1889 erschienene Werk «So sollt ihr leben» verbreiteten seine Gesundheitslehre, in viele Sprachen übersetzt, in die äußersten Winkel Europas.

Das Herz der Kneippkur liegt im Allgäu. Kein anderer Ort ist so stark durch den Pfarrer und Wassertherapeuten Kneipp geprägt wie das bayerische Bad Wörishofen.

Von den heute über 100 Kurhotels erzählt vor allem eines seine Geschichte: das Sebastianeum, 1891 eigens von Kneipp eröffnet.

Insbesondere seit Papst Leo XIII. ihn 1893 zum «Monsignore» und päpstlichen Geheimkämmerer ernannte, setzte ein wahrer Kneipp-Tourismus ein. Hotels wurden gebaut, Bad Wörishofen wuchs und entwickelte sich zum Kurort. Zehntausende pilgerten jedes Jahr ins Allgäu, darunter Prinzen, Fürsten und Herzöge. Sogar ein indischer Maharadscha ließ hier sein Nervenleiden kurieren – und erlernte nebenbei das Schlittschuhlaufen.

Kälte statt Kaffee als Wachmacher

Im ehemaligen Sprechzimmer Kneipps dinieren heute Kurgäste. Wie sehr die Kneippkur bis heute ihre Gültigkeit behalten hat, weiß Joachim Bohmhammel. Der therapeutische Leiter und ausgebildete Kneipp-Bademeister ist seit 22 Jahren am Sebastianeum tätig.

Vom Blutdruck- bis zum Burnout-Patienten, von der Atemwegserkrankung bis zur Schlafstörung, er hilft Heilsuchenden mit individuell auf sie zugeschnittenen Wasseranwendungen. Mal seien es warme, mal kalte Güsse, die über Brust oder Beine, Gesicht oder Arme fließen.

«Es gibt 120 Möglichkeiten, Wickeln, Waschungen, Güsse oder Wasserbäder anzuwenden», erklärt Bohmhammel. Die Menschen seien von vielfältigen Symptomen geplagt, doch der Auslöser sei fast immer Stress, berichtet der 57-Jährige. Die Hydrotherapie wirke durch ihre Wärme- und Kältereize hervorragend auf das vegetative Nervensystem: «Ein kalter Armguss macht wach, ein Knieguss hilft beim Einschlafen.» Die goldene Regel: Niemals kaltes Wasser auf kalte Haut.

Jede Anwendung ist auch Zuwendung

Der körperliche Aspekt ist nach Ansicht der Kneippianer nicht alles. Die Kurgäste bräuchten und suchten Ruhe, innere Balance und Kontemplation, ist Bohmhammel überzeugt. «Wichtig ist auch der psychologische Effekt. Jede Anwendung ist ja auch eine Zuwendung.» Kneipp selbst schrieb dazu: «Erst, als ich an die Seele der Menschen ging, hatte ich vollen Erfolg.»

Kneippen ist Bohmhammel zufolge alles andere als altbacken: «Die Zeit ist dafür reif, nicht erst seit Corona.» Auch in der jüngeren Bevölkerung nehme er ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein und die wiederentdeckte Freude am Einfachen wahr. Viele Anwendungen ließen sich nach der Kur zu Hause oder in Vereinen weiter durchführen.

Der Bad Segeberger Kneipp-Verein ist nur einer von zahlreichen Gruppen. Vom Norden bis in den Chiemgau sind etwa 1200 Vereine unter dem Dach des Kneipp-Bunds organisiert. Daneben gibt es Hunderte öffentlich zugängliche Kneipp-Wassertretbecken in Deutschland. Viele weitere Anlagen verstecken sich in Parks, Seen, Wäldern und Bächen. Gerade jetzt, wenn Fitnessstudios geschlossen haben, laden sie Spaziergänger zu Frischluft und Gesundheitsprophylaxe ein.

Zwar wurde auch Kneipp nicht unsterblich, doch er hinterließ sein Erbe - sozusagen eine «Traditionelle Europäische Medizin», wie Bohmhammel sie nennt. Die deutsche Unesco-Kommission nahm das Kneippen 2015 ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf.

Kneipp war überzeugt: «Wer nicht jeden Tag etwas für seine Gesundheit aufbringt, muss eines Tages sehr viel Zeit für die Krankheit opfern.» Im Mai 2021 jährt sich sein Geburtstag zum 200. Mal.

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