ADAC stellt Studie vor

Wie reisen die Deutschen nach der Pandemie?

ADAC Tourismuspräsident Kurt Heinen hat prominente Experten zu einem Gespräch zum Thema Reisen eingeladen. Bei der Online-Videokonferenz am 4. März 2021 stellte Carsten Cossmann, Leiter Ressort Tourismus ADAC e.V., zuvor die Ergebnisse der ADAC Studie “Die Corona-Pandemie und ihre Wirkung auf die Reiselust der Deutschen” vor.

Über die Ergebnisse der Studie diskutierten im Anschluss Thomas Bareiß, Beauftragter der Bundesregierung für Tourismus, MdB Markus Tressel von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Marek Andryszak, Vorsitzender der Geschäftsführung TUI Deutschland, und Dr. Dieter Nirschl, Mitglied des Vorstandes ADAC e.V.

Verändert sich das Reiseverhalten?

Die Ergebnisse der Tourismusstudie liefern Antworten auf die wichtige Frage, ob sich durch die Pandemie die Reisepräferenzen der Deutschen dauerhaft verändern werden. Das Fazit: Die Menschen wollen wieder reisen wie zuvor, das Motto lautet also eher “Zurück in die Zukunft!” als “Alles bleibt anders”. Die Corona-Pandemie wird demnach wohl nur kleine Verschiebungen im Reiseverhalten bewirken. Aber auch diesen Veränderungen müssen Politik und Anbieter Rechnung tragen – für einen kundenfreundlichen und nachhaltigen Tourismus.

 

Fragen und Antworten

Aus der Studie ergaben sich einige Fragen, zu denen die Experten ihre Einschätzungen abgaben.

Wieso zeigen sich die Deutschen zufrieden mit ihrem Urlaub in 2020?

ADAC Vorstand Dr. Dieter Nirschl nimmt an, die Menschen seien trotz der Einschränkungen froh, dass sie in diesem besonderen Jahr überhaupt verreisen konnten. Außerdem spiegele die hohe Zufriedenheit die Qualität des Tourismusangebots im wichtigsten Ziel, Deutschland selbst, wider.

Welche Perspektiven gibt es 2021 für den Urlaub in Deutschland?

Thomas Bareiß setzt große Hoffnungen in die Produktionssteigerung bei Impfstoffen, die für den Sommer eine Art von Normalität verspricht. Für den Osterurlaub seien Annahmen schwierig. Den Menschen und den Gastgebern in Deutschland wäre es schwer vermittelbar, falls Ostern Reisen nach Mallorca möglich wären, aber Hotels hierzulande noch geschlossen blieben. Er erwähnt die App luca, die verschlüsselte Kontaktdatenübermittlung für Gastgeber und ihre Gäste ermöglicht.

Welche Rolle wird Nachhaltigkeit künftig beim Reisen spielen?

Grünen-Politiker Markus Tressel erwartet auf Seiten der Anbieter mehr Nachhaltigkeit durch das Ausmustern alter Flugzeuge und Schiffe. Aber auch bei den Nachfragern sieht er einen Bewusstseinswandel hin zu mehr Umweltverträglichkeit beim Reisen, etwa Urlaub im Nahbereich. Somit ergäben sich Chancen für Regionen mit guter Erreichbarkeit mit der Bahn oder “sanften” Angeboten wie Wandertourismus, und Chancen für die Reisebranche, resilienter zu werden. Er setzt auf die Verbindung der Aspekte Reiselust und Nachhaltigkeit.

Auf welche Strategie setzen die Anbieter?

Für TUI-Chef Marek Andryszak ist die Planbarkeit für die Kunden der wichtigste Punkt, also unter welchen Bedingungen sie für eine Urlaubsreise ausreisen und mit welchen Restriktionen sie ihre Ziele erreichen können. Die TUI setze große Hoffnungen auf die Verbindung von Impfen und Testen, womit die Inzidenzrate unter Reisenden niedrig gehalten werde. Mit sechs Milliarden Produkten, der Summe aus allen Buchungsoptionen, sei man auf Individualität und kurzfristige Reiseentscheidungen vorbereitet. Damit sei die TUI gut aufgestellt, auch wenn es wenig langfristige Buchungen gebe. Dr. Dieter Nirschl ergänzt, auch für die Angebotsseite sei Planungssicherheit essenziell, speziell für kleinere Veranstalter, die in der Krise weniger gestützt würden.

Bleibt der Trend zu Camping und anderen “sanften” Urlaubsformen?

Dr. Dieter Nirschl bejaht die Tendenz zum Camping und hält Engpässe bei den Stellplatzkapazitäten für möglich. Auf deutschen Plätzen seien die Hygienekonzepte, etwa kontaktloser Check-in, recht gut. Der Campingtrend entspreche der Entwicklung hin zu individuellem Reisen und dem Rückgang beim klassischen Badeurlaub. Thomas Bareiß sieht ebenfalls Potenzial für alternative Reiseformen, wie etwa Hausboot-, Rad- und Kanureisen. In diesen Sparten seien die Angebotskapazitäten jedoch nicht unbegrenzt erweiterbar. Auch Markus Tressel bestätigt die Perspektiven für Pauschalangebote, bei denen kontaktarmes Reisen möglich sei, etwa Urlaub in der Ferienwohnung oder auf dem Hausboot.

Darf es Privilegien für Geimpfte geben?

Dazu herrscht unter den Diskussionsteilnehmern einhellige Ablehnung – man dürfe Menschen, die noch keine Chance hatten, sich impfen zu lassen, nicht vom Reisen ausschließen. Solange könne ein Eintrag im Impfpass nicht zur Voraussetzung für eine Buchung werden.

Soll die Unterstützung der Branche an Bedingungen geknüpft werden?

Förderungen von der Nachhaltigkeit der Angebote abhängig zu machen, sei eine mittel- bis langfristige Option, also beim “Wiederaufbau” der Branche, meint Markus Tressel. In der aktuellen Phase der Nothilfe gehe es primär um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Marek Andryszak merkt an, die TUI engagiere sich durch ihr Einwirken auf Vertragshotels und die Flottenerneuerung bei Flugzeugen bereits stark in der Nachhaltigkeit.

Liegen in der Krise auch Chancen?

Für Thomas Bareiß hat 2020 der Deutschland-Tourismus profitiert, besonders in den Kerngebieten. Aber auch für andere Regionen ergäben sich Chancen, zum Beispiel für die Schwäbische Alb oder den Schwarzwald, der mehr Gäste aus Bayern registrierte. Gute Perspektiven sieht Bareiß zudem im Städtetourismus, wo deutsche Ziele zu den europäischen Spitzendestinationen zählten. Auch der Geschäftsreisetourismus habe eine Zukunft, weil er den persönlichen Austausch unter den Teilnehmern ermögliche.