Klimawandel: Wie stellt sich der Tourismus in Deutschland darauf ein?

Die verheerende Flutkatastrophe in diesem Sommer im Westen Deutschlands traf einige der beliebtesten Urlaubsregionen. Sie zeigt: Der Klimawandel ist auch bei uns spürbar. Doch wie kann der Tourismus sich daran anpassen?

Vor den Überschwemmungen Mitte Juli war das Ahrtal eine beliebte Destination für Weinliebhaber und Wanderer. Jetzt ist davon nicht mehr viel übrig geblieben: Weingüter sind verwüstet, Wege und Straßen wurden weggespült. Der Tourismus in der Region wird Jahre brauchen, um sich davon zu erholen.

Die schrecklichen Szenen, die sich dort abgespielt haben - mehr als 150 Menschen verloren in den Fluten ihr Leben - könnten ein Weckruf für andere Urlaubsregionen sein, sich auf den Klimawandel und seine Folgen einzustellen. Denn der ist real und lässt sich an signifikanten Kennzahlen verdeutlichen, sagt Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mit Blick auf sogenannte "Jahrhundert-Wetterextreme": "Jahrelange Dürreperioden oder verheerende Hochwasser gibt es heute schon sehr viel häufiger als noch vor zwanzig, dreißig Jahren vorhergesagt."

Klimawandel schneller und heftiger
Auch Deutschland, das bislang derart heftige Wetterextreme nicht kannte, wird in Zukunft häufiger von Starkregen, Hitzewellen oder Stürmen betroffen sein. Welche Regionen es treffen kann, keiner wagt das vorherzusagen.

Insgesamt nehme der Klimawandel deutlich Fahrt auf, was sich besonders an der Jahresdurchschnittstemperatur veranschaulichen lasse, erklärt Peter Hoffmann. Global liege sie um 1,2 Grad höher als im vorindustriellen Zeitalter, in Deutschland sogar um 1,6 Grad. "In den letzten Jahren beschleunigt sich die Entwicklung, sodass wir davon ausgehen können, dass pro 30 Jahre ein Grad hinzukommt", sagt der PIK-Experte. Deshalb sei es wichtig, jetzt zu reagieren, denn "die Maßnahmen, die wir heute ergreifen, werden sich erst in dreißig Jahren auswirken".

Der Deutsche Tourismusverband (DTV) setzt sich als Dachverband der Urlaubsregionen schon lange dafür ein, dass diese sich an den Klimawandel anpassen, betont der stellvertretende Geschäftsführer Jörg Dunkelberg: "Der DTV wirbt schon seit 30 Jahren für Nachhaltigkeit, damals hieß das noch sanfter Tourismus. Und vor zehn Jahren haben wir zusammen mit dem Umweltbundesamt eine Veranstaltung organisiert, in der es darum ging, wie Mittelgebirgsregionen ihren Wintertourismus zukünftig verändern, wenn wegen der klimatischen Veränderungen häufiger Schneemangel herrscht."

Seit damals hätten Regionen wie der Schwarzwald und der Harz ihre Angebote überarbeitet und daraus seien beispielsweise Indoor-Aktivitäten, Wellness-Konzepte und verbesserte Rad- und Wanderwege hervorgegangen, so Dunkelberg.

Der gute Wille ist da, aber...
Seit Jahrzehten sei klar, dass der Tourismus sich anpassen müsse, das bestätigt auch Wolfgang Günther vom Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) aus Kiel. Insgesamt verändert sich der Tourismussektor aber viel zu zögerlich. 

Mit Blick auf die Ausmaße der Naturphänomene, Brände, Dürren, Überschwemmungen müssten die Tourismus-Verantwortlichen jetzt umsteuern. Als wichtigstes Kriterium dafür nennt er "mehr Flexibilität", um für veränderliches Wetter besser gerüstet zu sein und um Angebote in der jeweiligen Region modifizieren oder ganz neu entwickeln zu können.

An guten Beispielen orientieren
Manchmal hilft in solchen Situationen auch ein Blick über den (geografischen) Tellerrand, sagt Hans-Joachim Hermann, beim Umweltbundesamt (UBA) Leiter des Fachgebiets Internationale Nachhaltigkeitsstrategien, Politik- und Wissenstransfer, und nennt ein Beispiel aus der Schweiz:

Dort beschloss die Stockhornbahn AG im Berner Obernland im Jahr 2003, den Pistenbetrieb einzustellen und auf sanften Wintertourismus zu setzen. "Der Skibetrieb war defizitär, Ersatzinvestitionen konnten nicht aus eigener Kraft getätigt werden. Also wurde ein neues Geschäftsmodell entwickelt, das den Fokus auf das Ausflugs- und Gruppengeschäft legte, den Ausbau der Gastronomie, ein breites Angebot an naturnahen Sommer- und Winteraktivitäten sowie auf einen reduzierten Winterbetrieb von Mittwoch bis Sonntag." 

Um ähnliche Erfolgsgeschichten auch hierzulande anzustoßen, hat das UBA gemeinsam mit dem Deutschen Tourismusverband, dem PIK und anderen Verbänden und Akteuren einen Handlungsleitfaden erstellt mit dem Titel "Anpassung an den Klimawandel: Die Zukunft im Tourismus gestalten". Er richtet sich an Tourismus-Verantwortliche und bietet ihnen zum einen fundiertes Faktenwissen und Ideen dafür, die jeweiligen Urlaubsregionen durch neue Strategien für die Zukunft fit zu machen.

Je früher, desto besser
Eine Grundregel in diesen Anpassungsprozessen lautet, da sind sich alle Experten einig: Je früher, desto besser. Das hat auch eine handfeste ökonomische Dimension, betont Wolfgang Günther vom NIT: "Frühzeitig reagieren ist definitiv günstiger als anschließend Reparaturen vornehmen zu müssen". Das könne zum Beispiel bedeuten, neue Routen für Wanderer anzulegen, bevor die bestehenden durch Überschwemmungen zerstört werden. Oder für Wintersportorte, dass sie Wander- und Radtourismus stärken, wenn die Schneesicherheit nicht mehr gegeben ist. 

Ist die Katastrophe erst einmal da, helfen nur noch ein funktionierendes Frühwarnsystem und Evakuierungspläne. Am Beispiel der Ahr wurden Defizite hinsichtlich des Katastrophenschutzes überdeutlich. Seither wird darüber debattiert wie man das Warn- und Alarmierungsverfahren in Deutschland effizienter gestalten kann. Beispielsweise mit Warnungen, die per SMS aufs Handy geschickt werden, so wie es in den USA oder Japan bereits praktiziert wird. Oder aber auch mit dem Einsatz von Sirenen, die auch dann funktionieren, wenn in betroffenen Regionen die Stromversorgung und das Mobilfunknetz ausfallen. 

Risikofaktor Wasser
Kurz nach den Unwettern im Ahrtal war es in der Höllentalklamm in der Nähe der Zugspitze in Bayern zu einer Springflut gekommen, bei der eine Urlauberin ums Leben kam und mehr als 100 Menschen in einer dramatischen Rettungsaktion in Sicherheit gebracht werden mussten.

Solche Ereignisse werden, sagt Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, in Zukunft eher die Normalität als die Ausnahme sein. Und er fügt eine - für viele Regionen sicher beunruhigende - Beobachtung hinzu, die sich aus den Auswertungen der Wetterradaraufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes der vergangenen 20 Jahre ergibt: "Lokale Ereignisse mit Sturzfluten und Überflutungen können überall auftreten. Die Schadenswirkung hängt dann von der Bebauung, von der Versiegelung der Landschaft und der Infrastruktur ab." Und es sei davon auszugehen, dass die Wetterextreme extremer werden: Hitze werde häufiger länger verweilen, Starkregen intensiver, Stürme heftiger.

Hoffmanns Fazit: "Die Diagnose ist gestellt, jetzt ist es Zeit für die Therapie - auch für den Tourismus". Wie kreativ die Ansätze dafür ausfallen, das liege allein in der Hand der jeweils Verantwortlichen vor Ort.

Die Touristen selbst haben die Zukunft in der Hand
Wolfgang Günther vom NIT ergänzt, dass es auch eine veränderte Anspruchshaltung bei den Gästen gebe. Sie erwarteten mehr Engagement für den Umweltschutz und daran angepasste Angebote. Für viele sei es nicht mehr attraktiv und akzeptabel, wenn einfach zusätzliche Schneekanonen in einer ansonsten grünen Umgebung Skipisten in die Landschaft zaubern.

Mit Sorge beobachtet der Tourismusforscher, dass viele Destinationen noch weit hinter diesen Erkenntnissen zurückhängen. "Einige werden es schaffen, die anderen werden von ihren Versäumnissen eingeholt", sagt er und fügt hinzu: "Je schneller wir die Trendwende schaffen, desto weniger schlimm wird es."